Hongkong - bis 1997 britische Kolonie, hat mir in meiner Sammlung Südostasiatischer Hauptstädte noch gefehlt. Gelegenheit ergab sich erst im Rahmen einer Dienstreise im März 1999.
Ankunft: am neuen Flughafen - gigantisch, organisiert, einfach, mit Anbindung per öffentlicher Transportmittel oder Hotelbus. Leider ist der Anflug vollständig in Wolken - und das ändert sich während der nächsten 10 Tage nicht....
Erste Eindrücke: groß, vor allem hoch (oder wie ein amerikanischer Kollege meinte: 'much too vertical'), chaotisch, ungeplant - aber im Gegensatz zu Seoul - mit Charisma, Charme. Am ersten Tag betrete ich Hongkonger Boden nur beim Aussteigen aus dem Hotelbus - alles andere läuft (im wahrsten Sinn des Wortes) auf Gehpromenaden in Höhe des 1. oder 2. Stocks ab.
Hongkong besteht aus mehreren Teilen: Hongkong Island, Kowloon auf dem Festland und daran anschließend die New Territories, sowie einer Vielzahl mehr oder weniger großer Inseln.
Hongkong Island: das Geschäftsviertel, mit den bekanntesten Gebäuden Bank of China oder noch höher das Central Plaza (wo meine Firma den 58. Stock okkupiert) aber auch 20, 30 oder 40-stöckigen, heruntergekommenen Altbauten mit hunderten von Wohnungen, einem mehrfachen davon Klimaanlagen in den Fenstern - und daneben wieder Neubauten. Faszinierend die Wäsche an kurzen Leinen außerhalb der Fenster im 40. Stock. Das muß Spaß machen, wenn mal was runterfällt. Das Postkartenimage beginnt zu schwinden. Nebel und Dunst ab dem 30. oder 40. Stock erklären mir zum ersten Mal den Begriff 'Wolkenkratzer'.
Die Wochentage sind voll mit Terminen - kein Sightseeing; bleibt die Hoffnung auf das Wochenende. Leider ist das Wetter da noch übler, teilweise sogar regnerisch. Trotzdem - einige Eindrücke bleiben kleben:
- Hongkong Island sollte man zu Fuß 'erfahren'. Die Stadt lebt von den Unterschieden: teils protzige, teils filigrane Wolkenkratzer neben Wohnsilos in jedem möglichen Zustand. Einkaufsgallerieren vom Feinsten neben chinesischen Händlern. Akute Platznot neben dem Hongkong Park - wo am Samstag offenbar vor allem geheiratet wird und ein nettes Tee-Museum steht. Alles zu Fuß zu erforschen, und nur so.
- Überfahrt nach Kowloon mit der Star Ferry, einer Hongkong-Institution. Der Verkehr auf dem Wasser zwischen Kowloon und Hongkong Island ist chaotisch - wie ich auch aus meinem Zimmer im Hotel immer wieder beobachten kann. Erkenntliche Verkehrsregeln scheint es nicht zu geben.
- Kowloon ist einerseits touristisch, andererseits aber auch unverfälscht, wenn man aus den typischen Touri-Gegenden rausgeht, die direkt am Pier neben dem nahegelegenen Hongkong Cultural Center beginnen. Ich spendiere eine halbe Stunde in einer kleinen Kneipe bei einer Vierergruppe von Männern, die Mahjongg spielen - mit einer Hingabe, wie wir Bayern den Schafkopf betreiben. Kiebitze gibt's natürlich auch - und keinen Verzehrzwang, das ist original. Gespielt wird auch auf einem Platz vor dem sehenswerten Tin-Hau Tempel; leider komme ich gerade am Tag des Heiligen an (die Chance liegt zwar nur bei 0,27%, aber ich habe halt mal den Termin getroffen), was die Besichtigung wegen der Menschenmassen unmöglich macht.
- Daneben nicht zu vergessen der Jade-Markt: Für Kenner sicher ein Eldorado. Auf engstem Raum und nur unter einem scheinbar improvisierten Zeltdach konkurrieren Dutzende von Händlern mit Jadeschmuck und chinesischen Figuren.
- Ebenfalls faszinierend war am Sonntag die Picknick-Mentalität der Filipinos (insbesondere Frauen). Sie bevölkern in kleinen oder größeren Gruppen die Plätze um Central, die Gehwege, die Passagen und kampieren dort mit Sack und Pack für den freien Tag der Woche - hunderttausend Asphalt-Idyllen mangels Platz. Wenn das das Leben ist - 6 Tage arbeiten, und dann auf dem Gehweg entspannen - ich weiß nicht.
- Von Aberdeen Harbor, dem südlichsten Teil von Hongkong Island, verspricht der Reiseführer Dschunken, Wohnboote, exotisches Flair. Geblieben sind mehrere verankerte Touristenschiffe (sog. Restaurants) und ein bißchen Flair. Immerhin war eine Dschunke zu sehen ... es scheint sie also wirklich gegeben zu haben. Die Tour ist preiswert, weil ich mich einigen Amerikanern aus Arizona anschließe. Noch preiswerter ginge es mit der kostenlosen Fähre zu den Freßtempeln, aber das geht halt nur direkt, ohne Umwege durch die exotische Welt der Schiffbewohner.
Was ist von der britischen Kronkolonie geblieben: ein Rolls-Royce Shop (neben Toyota und Mazda), der Linksverkehr, Fish and Chips auf der Speisekarte eines 5-Sterne Hotels, der Gouverneurspalast und - aus meiner Sicht - das Wetter: zwar wärmer als der Londoner Durchschnitt, aber nicht weniger neblig.